Licht und (Seh)Leistung
Licht und (Seh)Leistung
2010
Dinge des Alltags, die uns das Leben erleichtern oder zumindest verschönern sollen, bewirken nicht selten das Gegenteil. Der Rasensprenger macht zuerst den Hobbygärtner nass, die Fernbedienung schaltet nicht den Fernseher ein, sondern öffnet das Garagentor des Nachbarn. Man kann sich darüber ärgern, amüsieren oder dem Problem methodisch zu Leibe rücken - vor oder nach Entstehung eines Produkts. Heute hatte ich mit einer Beleuchtung zu tun, die sich eine große Firma als maßgeblich für alle ihre Arbeitsstätten ausgesucht hatte. Sie wollte Licht (und auch Energie) sinnvoll einsetzen.
So etwas hat man in der Beleuchtungstechnik über Jahrzehnte zielstrebig versucht. Die Rede ist vom Vermeiden des Streuens des Lichts ziellos durch die Gegend, wie es z.B. eine nackte Glühlampe fleißig übte, bis die ihr EU mit einem Verbot zu Leibe rückte. Nein, nein, viel früher, bis man die „Leuchte“ erfand. Diese sollte das Licht in die gewünschte Richtung lenken. Bereits die „Petroleumlampe“ arbeitete in diesem Sinne, aber nicht gut genug. Neue Leuchten sind immer elektrische …
In Innenräumen hingen früher Kugeln aus Opalglas um die Lampen und verteilten das Licht gleichmäßig um sie herum. Eine Vergeudung, dachte man, und baute die Leuchten so ab 1960 in die Decken ein. Sie sollten nur noch nach unten leuchten, aber immer noch ging viel Licht seitlich weg. Auch vergeudet. Denn das Ziel ist die Arbeitsebene - und die ist waagrecht, das dient der Sehleistung, jedenfalls nach der Meinung der Lichttechnik. Fortan wurde versucht, das mühsam erzeugte Licht möglichst nur noch auf diese zu lenken. Die Horizontalbeleuchtungsstärke ist heute noch das Maß aller Dinge, jedenfalls praktisch. Es gibt zwar noch ein paar andere Dinge, die esoterisch Angehauchte in den Vordergrund stellen. wer will aber was davon hören, wenn es um harte Euronen geht? Licht soll zum Sehen diesen, und Sehen zum Arbeiten. Sehleistung! Das ist das Ziel der Beleuchtung von Arbeitsstätten - oder?
Mit der BAP-Leuchte gelang es erstmals, das meiste Licht aus einer Innenraumleuchte zielgerecht dorthin zu lenken, wo es landen sollte. Ich weiß nicht, ob der Scheinwerfer das Vorbild dazu lieferte. Heute gibt es welche mit T5-Lampen, bei denen nur noch wenig Licht daneben geht. Selten hat man ein Ziel so zielstrebig verfolgt und erreicht!
Und nun? Die Hersteller freuten sich lange über ihre gelungenen Hochglanzoptiken. Aber kein Nutzer mag solche Beleuchtungen. Könnte es etwa daran liegen, dass das verfolgte Ziel falsch war und ist? Nicht nur vermutlich, ja. Gezeigt hat es ein angesehener Lichttechniker (Prof. Bodmann) in einer angesehenen Zeitschrift (Licht) - und das im Jahre 1960! Nach seinen Studien tragen Beleuchtungsstärken über 50 lx kaum noch zur Sehleistung bei, jedenfalls nicht im Büro, und Menschen wünschen sich höhere Beleuchtungsstärken, weil sie eine hellere Umgebung brauchen. Aber nur nicht auf der Arbeitsebene. Sie wünschen sich vermutlich gar keine Beleuchtungsstärken, weil sie gar nicht wissen, was das ist. Bodmann meinte nämlich Helligkeiten, und davon verstand er was, und die Menschen verstehen sehr viel mehr davon.
In der Lichttechnik hat man die Zahl für die Beleuchtungsstärke, die Bodmann genannt hatte, übernommen, aber das Ziel wohl vergessen. Absichtlich? Man merke: Beleuchtungsstärke ist ein Vektor. Dessen Höhe allein ist kein Wert ohne seine Richtung. Was nützt es, die Geschwindigkeit zu steigern, wenn man in die falsche Richtung fährt? Mehr Beleuchtungsstärke in der falschen Richtung macht einen Raum nicht heller, sondern häufig dunkler. Nur noch übertroffen von der Beleuchtungsstärke ohne Richtung …
Mit dem Sinnverlust hat die Technik auch noch die Glaubwürdigkeit eingebüsst. Wer einen beraten will, d.h. ihm eine Weisheit hinter die Ohren schreiben, muss dafür sorgen, dass er am Ende schlauer ist als vorher. Den Bahnhof, an dem diese Weisheit verkauft wird, hat die Lichttechnik verpasst. Noch ein Bisschen Gas geben?
Ziel erreicht, Sinn verloren
27.09.10
An ihren Früchten also könnt ihr die falschen Propheten erkennen.
Bibel, Autor unbekannt
Was nützt es dem Eisberg, wenn man seine Geschwindigkeit in den Süden verdoppelt?
Autor ebenfalls unbekannt, zuletzt gehört von Prof. H.J. Bullinger