Licht und (Seh)Leistung II
Licht und (Seh)Leistung II
2011
Heute muss ich mich mit einer Broschüre beschäftigen, die ein Experte geschrieben hat. Viele andere Experten haben ihn dabei beraten. Sie handelt vom Tageslicht und beschreibt, wie man Arbeitsplätze angenehmer machen kann, indem man Tageslicht sinnvoll einsetzt. Das ist sinnvoll.
Was mich erschrocken hat, ist das Treffen mit einer uralten Bekannten. Die 500, gefolgt von Lux, treibt auch hier ihr Unwesen. Ich lese, tagsüber könnte die Beleuchtung viel höher sein, als man mit künstlicher Beleuchtung je erreichen könnte. Stimmt. Ist auch gut so.
Unser Experte meint aber, optimal seien am Schreibtisch 500 lx! Wieso 500? Die Geschichte dieser Zahl hatte ich in diesem Blog früher dargestellt (500). Tolle Sache, früher maß man Kunstlicht am helllichten Tage, d.h. an seinen Beleuchtungsstärken. Jetzt misst man den helllichten Tag an den Funzeln, die man halt nicht anders betreiben kann. Sonst würde in den Büros noch mehr als 40 % des Stroms verluxt. Das können wir uns nach der Rolle rückwärts der Bundeskanzlerin von Gestern nicht mehr leisten. Sie hat ja ihr eigenes Gesetz, das sie gegen den Bundesrat durchgeboxt hat, mir nichts, dir nichts, kassiert. Hoffentlich auch die Geheimabsprachen dazu. Seit gestern ist in Deutschland Atomstrom kein Thema mehr, äh, das Thema … Da da Gesetz letztes Jahr wegen dringenden Strombedarfs erlassen wurde, und so eilig war, dass der Bundesrat schnell umschifft werden musste, wird uns wohl mächtig an Strom fehlen. Vielleicht fehlt uns womöglich die Kanzlerin, weil um einen Kopf kürzer gemacht.
Aber auch ohne Geheimabsprache sorgt die 500 für Krach im Gebälk. Der ist aber so leise, dass nur Fachleute das Problem verstehen. Es geht so: Um Energie zu sparen will man die Beleuchtung am Arbeitsplatz am liebsten so regeln, dass Kunstlicht + himmlisches Licht, Pardon, natürliches Licht, immer 500 lx ergeben. Liefert die Sonne mehr als 500 lx, kann die Lampe abgeschaltet werden. Liegt das Tageslicht so bei 200 oder 400 lx, muss halt die künstliche Beleuchtung ihr Scherflein dazu beitragen. Abends leuchtet sie dann allein, so die Leute dann arbeiten wollen. Das ist Teil der Regelungen für die Energieeffizienz von Gebäuden. Das haben ernstzunehmende Leute in ernstzunehmenden Normen so veröffentlicht. Nicht ganz so, aber sinngemäß.
Dumm nur, dass die Sache nicht laufen will. Hätten unsere Öko-Freaks ihre Studien zum Tageslicht oder Null-Energiehaus nicht immer in Freiburg gemacht, hätten sie gewusst, dass in Innenräumen auch am Fenster die 500 lx nicht allzu lange überschritten werden. In Freiburg ist das anders, dort scheint die Sonne länger als anderswo in Deutschland, und die Sonne, so sie scheint, gibt mehr Licht als in Norddeutschland. Und sie scheint auch länger als bei den Nordlichtern. Da sie auch noch eine halbe Stunde später scheint als bei den Ossis, ist Freiburg der optimale Ort für das Öko-Marketing. Und die Experten für künstliche Beleuchtung hätten ihnen geflüstert, dass Anlagen zur Lichtregelung erstens Strom schlucken, und das unentwegt, und zweitens die Lampen und Leuchten außerhalb ihrer optimalen Betriebsbedingungen betreiben. Z.B. sterben sie früher, wenn man sie häufig schaltet, oder ihre Lichtfarbe stimmt nicht, oder ihre „Effizienz“ stimmt nicht, oder oder …
Nun zurück zu der 500 … Wer braucht 500 lx Tageslicht am Schreibtisch? Eine persönliche Antwort dazu kann jeder finden, wenn er ein Luxmeter nimmt und sich an ein paar Tagen seinen Schreibtisch anschaut und danach das Luxmeter. Mal messen!
Was rauskommen wird, hat bereits in den 1980er Jahren ein Doktorand meines Professors haarklein berechnet: Will man die gleiche Güte beim Erkennen von schwierigen Sehobjekten erreichen, braucht man bei Tageslicht die Hälfte der Luxe, die man bei Kunstlicht aufwenden muss.
Ein anderer Experte, ein angesehener Professor aus Karlsruhe, hatte ermittelt, dass man die 500 lx nicht wegen des Sehens von Sehobjekten benötigt, sondern um einen hellen Raumeindruck zu bekommen. Und den bekommt man auch bei 100 lx mit Tageslicht.
Nicht glauben, einfach ausprobieren. Hilft ungemein gegen Verluxen kostbarer Energie.
Magie der Zahl 500
16.03.11
Alles, was nicht der Norm entspricht,
zwingt zum Nachdenken –
und das stört.
Else Pannek